WG113 – Briefentwurf an Alma Mahler
Berlin, in der Nacht von Samstag, 24. auf Sonntag, 25. Dezember 1910

Ich glaube Du weißt es gar-
nicht, daß ich in 4 Wochen
nur 3 Briefe bekam;

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gefährlich veranlagt. Selbst-
quälerisch übertrieben sobald
erst irgend ein Argwohn.
Ansprüche. Alles empfinden.

 Ich habe zu wenig
von Dir, das mich, wenn
ich Dir körperlich u geistig
entbehren muß. Bedenke
das doch und laß mi schenke
mir einige Stunden mehr

 Fürchte nichts, all meine
Weibersehnsucht bleibt auf
Dich konzentriert

 Ich bin immer wieder erstaunt
daß es Dinge in meinem Innern
giebt, die ganz unabhängig
von meinem Willen sind,
die eines Tages da sind
und uns unsere Verstandes-
pläne umstoßen

mit welchem Recht verlangt
man, daß alles um einen
rosig ist wie ungerecht ist
es nur \über/ das fehlende zu jammern,
anstatt über den Besitz zu
frohlocken. Es ist gut gewesen,
daß ich in den letzten Tagen
so ernst mit mir zu Rate
ging

Ich habe eine Andachtsvolle
Christnacht, liege im Bett \Deine Bilder stehn vor mir/ und ich
lese alle Deine Briefe! Welch
ein Besitz, meine . Ach,
die ersten Briefe aus Toblach
diese beseligende Ruhe – süße
vertrauensvolle Ergebenheit!
Du, meine himmlische Braut,
bist Du mir noch so nah, ver-
stehst Du mich noch so herrlich,
so selbstverständlich? Ich liebe
Dich liebe, liebe Dich. Rechne auf
mich, es soll nichts blass
werden zwischen uns, Du
liebliche, reine Seele Du
komm reich mir Deine liebe
Hand, wir wollen sie nie

wieder fahren lassen, uns
leiten und stützen
unsere Leben müssen \sollen/ sich
vereinen wie zwei Flüsse
das eine im aus der
Zweiheit eine stärkere Ein-
heit werden. , .
mein geliebtes Kind, was
habe ich durch Deine Liebe
schon für Glück genossen,
ich habe wol eine gewisse
eigensinnige Zähigkeit zum
Leben, aber mit Dir wächst
mein Mut. Deine engelhafte
Reinheit u Güte werden nie
meinem Blick trübe werden
lassen, für das gesunde echte

fühlst Du Dich noch als
meine Braut, auch manch-
mal noch als mein Weib?

 Musik? fertig?

 Kind / auf d. Hut

mich verlieren


Apparat

Überlieferung

, , , , , .

Quellenbeschreibung

3 Bl. (3 b. S.) – Notizblock.

Druck

Erstveröffentlichung.

Korrespondenzstellen

Beantwortet durch AM57 vom 18. Januar 1911 (Meine Lieder sind in Wien herausgekommen): Musik? Notenheft fertig?

Datierung

Aufgrund der Formulierung Ich habe eine Andachtsvolle Christnacht lässt sich dieser Briefentwurf auf die Nacht vom 24. auf 25. Dezember 1910 datieren.

Themenkommentar

Übertragung/Mitarbeit


(Tim Reichert)


A

in 4 Wochen nur 3 Briefe empfing zwischen Sonntag, den 27. November und Samstag, den 24. Dezember 1910 die Briefe AM47, AM48, AM49 und AM52.

B

Notenheft fertig? () waren im Dezember 1910 im Druck erschienen (, [S. 1] und , S. 427).

C

Gucki – in Tinte.